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paribha samanjari Vers 2.1 – 2.4

 

 

 

 

 

(1-4 = ajitagama )

Es ist ein zweifaches Brahman gelehrt:

sabdabrahman und

das Brahman, das das höchste ist

Das höchste Brahman bedeutet „‚Siva'“ [Neutrum!]. Durch das Laut-Brahman wird es verkündet.

Das, was aus dem ’sabdabrahman besteht, ist unter dem Namen des Sadâ’siva [Neutrum!] überliefert.

Janârdana!, Om ist der offenbare (sâk.sât) Körper des Sadâ’siva. Jener Sadâ’sivâ, der Gott der Götter, ist die Ursache (kâra.na) von allem. Der höchste ‚Siva existiert, da er die Ursache auch von diesem Sadâ’siva ist. Er wird insofern Höchster genannt, als seine Gestalt Wort und Geist [manas] transzendiert. Deswegen wird hier nur der als ‚Siva bezeichnet, der die [wahre universelle] Ursache ist.

Das eine, nicht-duale Brahman, wird zweifach bezeichnet.

 

„Brahman“

einerseits die lautliche (formulierte) Form der Wahrheit = des Seins, andrerseits das Sein selbst. Die ursprüngliche Formulierung geschieht in Keimsilben (bija). Die Urkeimsilbe ist O.m.

 

 

 

(Quelle nicht nachgewiesen)

 

Bei der Unterscheidung zwischen höherem und niederem Brahman ist das niedere Brahman wieder zweifach: Das Brahman, welches ein Laut ist, ist bekannt / wird bezeichnet als

weltliches und

vedisches

Auch das höhere Brahman wird als zweifach verkündigt:

als mit Eigenschaften versehen

als rein

Grobförmig (sthularupa) ist das Brahman als brahmanga

 (= 5 Brahmamantras und 6 Angamantras).

Fein ist das Brahman in der Gestalt des Om.

Das feingestaltige Brahman wird als Siva [Neutrum!] verkündet, das grobgestaltige als sadasiva.

.-.-.-.

Auch das höhere Brahman wird als zweifach verkündigt:

als mit Eigenschaften versehen

als rein“

mit Eigenschaften versehen = Gott in seiner Immanenz

rein = Gott in seiner Transzendent

Beide Formen des Brahman sind gemäß dem  Shaivasiddhanta wirklich (im Gegensatz zu Shankara, für den das Brahman mit Eigenschaften (saguna-brahman) unwirklich ist).

.-.-.-.

Die brahmamantras und angamantras nach der Somaambhupaddhati:

brahma-mantra bija des
brahma-mantra
anga-mantra bija des
anga-mantra
Isana Ho.m Netra Hau.m
Astra Ha.h
Purusa He.m Kavaca Hai.m
Aghora Hu.m Sikha Hu.m
Vamadeva Hi.m Siras Hi.m
Sadyojata Ha.m Hrdaya Ha.m

.-.-.-.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abb.: Lautemanationen

nada und sakalabindu gehören beide zum sadasivatattva, die Vidyesas dagegen zum isa[tattva], die Mantras und Vidyas zum vidya[tattva]

Es wurde gesagt, dass der höchste bindu (parabindu) das sivatattva ist und dessen Produkt, der feine nada, in dem shaktitattva enthalten ist. Deswegen ist der sakalabindu – der bindu der Silbe O.m (ak.sarabindu); und nada hat die Form des groben Klanges (dhvani). Diese beiden sind im sadasivatattva enthalten. Im isvaratattva sind die [acht] Vidyesas Ananta und die anderen enthalten.

„Werden nicht auch Welten im sivatattva beschrieben?“ :

Ja, aber nicht unmittelbar (sak.sat), sondern sie stehen vielmehr an der Spitze des santikala, ebenso wie die Welten der maya an der Spitze des kala[tattva].

Somit widerspricht es sich nicht.“ (Anm: ungefähr wie Rad der Zeit mit Ort)

.-.-.-.

„Om“

Die Urkeimsilbe, in die alles hineingeheimnist wird.

„Im 2. Spruch wurde behauptet, dass die Formel der 6 Buchstaben identisch mit der Formel Om sei. Die Verfasser des Bodha und des Siddhiâr lassen den Buchstaben Om zusammengesetzt sein aus A, U, M und aus Vindu und Nâda.

A ist das Symbol für ahamkar,

U für buddhi,

M für manas, bindu für citta

(das Zeichen für Vindu ist O),

nada (in diesem Fall)  für U.l.lam, d. i. die Seele (des einem Selbst)

Das Symbol wird dann noch weiter aufgelöst, indem gesagt wird, dass

hinter A (Ahamkar) als die treibende Gottheit Brahma,

hinter U (Buddhi) Vishnu,

hinter M (Manas) Rudra,

hinter Vindu (O) Sadasiva und

hinter Nada (-) isvara stehen.

Brahma ist der Gott der Schöpfung,

Vishnu der Gott der Erhaltung,

Rudra der Gott der Zerstörung;

Sadasiva die Personifikation der Shakti, und isvara ist Siva selbst,

so dass als Lehrgehalt der Formel Om herauskommt: Siva verrichtet vermittelst seiner Shakti durch die Götter Brahma, Vishnu, Rudra die drei Werke der Schöpfung, Erhaltung und Zerstörung.

Man kann also durch die Formel Om den Prozess der Evolution und Involution dargestellt finden, also sachlich dasselbe, was durch die 6 Buchstaben si, va, ya, na, ma zum Ausdruck gebracht werden soll, freilich anders vermittelt.

Dass diese Erklärung der Silbe orthodox ist, wird man schwerlich behaupten können. Orthodox dürfte die Erklärung sein, dass der Laut Om, der drei verschiedene Laute A, U und M in sich zu einem einzigen Laut vereinigt den Begriff des alles in sich vereinigenden All-Gottes vermittelt.“

.-.-.-.

Vers 2.8. – 2.11b – der AGENS:

 

 

 

 

 

 

(8-9b: Pauskaragama, nur handschriftlich überliefert)
(9c-10b: Mrgendragama)
(10cd: Rauravagama)
(11ab: Srikantha: Ratnatraya)

Brahmanen, das Agens-Sein ist zweifach: es geschieht

aufgrund von Wollen und

aufgrund eines Instruments (einer causa instrumentralis)

Töpfer machen nämlich nicht allein durch Wollen einen Topf.

Siva bewirkt immer allein  durch Wollen das Zittern / die Erregung des Bindu.

Das Instrument Sivas ist nichts anderes als seine Potenz (shakti). Die Potenz des Bewusstseins / Geistes [= Siva] ist nicht ohne Bewusstsein.

Wegen der Unbeschränktheit / Unbestimmtheit des Objektbereiches ist das Instrument eines und unbeschränkt inbezug auf Erkennen und das zu Tuende.

Eine Zweiheit der Potenz ist überliefert:

Erkenntnispotenz

Potenz zu handeln

Mit der Erkenntnispotenz erkennt Siva die Welt, mit der Handlungspotenz macht er die Welt.

Astaprakaranam : tattvaprakasa-tattvasamgraha-tattvatrayanirnaya-ratnatraya-bhogakarika-nadakarika-moksakarika-paramoksanirasakarika-khya-siddhantasaiviyastagranthanam satikanam samaharah / sampadakah Vrajavallabhadvivedah. 

Varanasi : Sampurnanandasamskrtavisvavidyalaya, 1988. – 58, 399 S. —

(Yogatantra-granthamala / Sampurnananda-Samskrta-Visvavidyalaya ; 12)

Enthält:

Tattvaprakasa / Bhoja.

Tattvasangraha / Sadyojyoti.

Tattvatrayanirnaya / Sadyojyoti.

Ratnatraya / Srikanthasuri.

Bhogakarika / Sadyojyoti.

Nadakarika / Bhatta-Ramakantha.

Moksakarika / Bhattaramakantha.

Paramoksanirasakarika / Sadyojyoti

„Agens-Sein“

Agens = der Handelnde (karta)

Zu den verschiedenen Arten von Ursachen vgl. Bhoja: Tattvaprakasa 37:

karta vinana karyam
na tathopadanakaranabhyam

„Ohne Causa efficiens (nimittakarana) gibt es kein Produkt, ebenso nicht ohne Causa materialis (upadana) und Causa instrumentalis (karana).“

D.h. die Einteilung der Ursachen (karana) ist

kartar (Agens)

nimittakarana (Wirkursache, causa efficiens)

karana (Instrumentalursache, causa instrumentalis)

upadanakarana (Materialursache, causa materialis)

upadanakarana für die Schöpfung ist die suksma maya

.-.-.-.

„Wegen der Unbeschränktheit / Unbestimmtheit des Objektbereiches ist das Instrument eines und unbeschränkt inbezug auf Erkennen und das zu Tuende.“

Wenn die eine ‚Sakti nicht auch unbeschränkt, unendlich wäre, wären alle Wirkungen gleich.

Vgl. Srikantha: Ratnatraya 190cd

[saktih]
ekanekavibhageva karyabhedad vibhavyate

„Die eine Shakti wird aufgrund der verschiedenen Wirkungen als vielfältige wahrgenommen.“

.-.-.-.

Vers 2.11c – 2.13 shristi

 

 

 

 

11c – 12: suprabhedagama (gedruckt: Madras 1928)

 

Die schlechthinnige Abhängigkeit Sivas ist die erste. Die Schöpfung / Emanation der gebundenen Seelen (pashu) ist die zweite.

Die schlechthinnige Abhängigkeit Sivas ist als mit einem reinen Körper verbunden verkündet.

Die schlechthinnige Abhängigkeit der gebundenen Seele ist verkündet als ein reiner atman, der verhüllt ist von Krusten.

Aus der Maya geschieht – so wird verkündet – eine doppelte Emanation:

eine grobe

und eine feine

Die, die sich auf die Feinessenzen (tattva) bezieht, offenbart / unterscheidet Erkenntnis und Handeln.

Die grobe ist gemeinsam und gehört zum Wesen der Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)

 

schlechthinnige Abhängigkeit

Statt srishti mit „Schöpfung/Emanation“ zu übersetzen, was im Deutschen eine zeitliche Konnotation hat, ist die Übersetzung mit dem schleiermachschen zeitlosen Ausdruck „schlechthinnige Abhängigkeit“ der Vorstellung des südindischen ‚Sivaismus viel angemessener.

In Schleiermacher, Friedrich <1768-1834>:

In keinem wirklichen Bewusstsein, gleichviel ob es nur ein Denken oder Tun begleitet, oder ob es einen Moment für sich erfüllt, sind wir uns unsres Selbst an und für sich, wie es immer dasselbe ist, allein bewusst, sondern immer zugleich einer wechselnden Bestimmtheit desselben. Das Ich an sich kann gegenständlich vorgestellt werden; aber jedes Selbstbewusstsein ist zugleich das eines veränderlichen Soseins. In diesem Unterscheiden des letzteren von dem ersten liegt aber schon, dass das Veränderliche nicht aus dem sich selbst Gleichen allein hervorgeht, in welchem Falle es nicht von ihm zu unterscheiden wäre. In jedem Selbstbewusstsein also sind zwei Elemente, ein – um so zu sagen – Sichselbstsetzen und ein Sichselbstnichtsogesetzthaben, oder ein Sein, und ein Irgendwiegewordensein; das letzte also setzt für jedes Selbstbewusstsein außer dem Ich noch etwas anderes voraus, woher die Bestimmtheit desselben ist, und ohne welches das Selbstbewusstsein nicht grade dieses sein würde. Dieses andere jedoch wird in dem unmittelbaren Selbstbewusstsein, mit dem wir es hier allein zu tun haben, nicht gegenständlich vorgestellt. Denn allerdings ist die Duplizität des Selbstbewusstseins der Grund, warum wir jedesmal ein anderes gegenständlich aufsuchen, worauf wir unser Sosein zurückschieben; allein dies Aufsuchen ist ein anderer Akt, mit dem wir es jetzt nicht zu tun haben. Sondern in dem Selbstbewusstsein ist nur zweierlei zusammen, das eine Element drückt aus das Sein des Subjektes für sich, das andere sein Zusammensein mit anderem. – Diesen zwei Elementen, wie sie im zeitlichen Selbstbewusstsein zusammen sind, entsprechen nun in dem Subjekt dessen Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit. Könnten wir uns das Zusammensein mit anderem wegdenken, uns selbst aber übrigens so wie wir sind: so wäre kein Selbstbewusstsein möglich, welches überwiegend ein Affiziertsein der Empfänglichkeit aussagte, sondern dann könnte jedes nur Selbsttätigkeit aussagen, welche aber auch, auf keinen Gegenstand bezogen, nur ein Hervortretenwollen, eine unbestimmte Agilität ohne Gestalt und Farbe wäre. Wie wir uns aber immer nur im Zusammensein mit anderm finden: so ist auch in jedem für sich hervortretenden Selbstbewusstsein das Element der irgendwie getroffenen Empfänglichkeit das erste, und selbst das ein Tun, worunter auch das Erkennen begriffen werden kann, begleitende Selbstbewusstsein, wiewohl es überwiegend eine regsame Selbsttätigkeit aussagt, wird immer auf einen früheren Moment getroffener Empfänglichkeit bezogen, durch welchen die ursprüngliche Agilität ihre Richtung empfing, nur dass oft auch diese Beziehung eine ganz unbestimmte sein kann. Zu diesen Sätzen kann die Zustimmung unbedingt gefordert werden, und keiner wird sie versagen, der einiger Selbstbeobachtung fähig ist, und Interesse an dem eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchungen finden kann.

Das Gemeinsame aller derjenigen Bestimmtheiten des Selbstbewusstseins, welche überwiegend ein Irgendwohergetroffensein der Empfänglichkeit aussagen, ist, dass wir uns als abhängig fühlen. Umgekehrt ist das Gemeinsame in allen denjenigen, welche überwiegend regsame Selbsttätigkeit aussagen, das Freiheitsgefühl Jenes nicht nur, weil wir anderwärts her so geworden sind, sondern vornehmlich, weil wir nicht anders als nur durch ein anderes so werden konnten. Dieses, weil anderes durch uns bestimmt wird, und ohne unsere Selbsttätigkeit nicht so bestimmt werden könnte. Diese beiden Erklärungen können indes noch unvollständig zu sein scheinen, indem es auch eine mit anderem nicht zusammenhängende Beweglichkeit des Subjektes gibt, welche unter demselben Gegensatz zu stehen scheint. Allein, wenn wir selbst von innen heraus irgendwie werden, ohne dass anderes dazu mitgesetzt ist: so ist dies das einfache Verhältnis der zeitlichen Entwicklung eines sich wesentlich selbst Gleichbleibenden, welche nur sehr uneigentlich auf den Begriff Freiheit bezogen werden kann. Und wenn wir von innen heraus irgendwie nicht werden können: so bezeichnet dies nur die zum Wesen des Subjektes selbst gehörige Grenze seiner Selbsttätigkeit, und diese würde nur sehr uneigentlich können Abhängigkeit genannt werden. – Mit diesem Gegensatz ist übrigens der zwischen trüben oder niederdrückenden und erhebenden oder freudigen Gefühlen, von welchem hernach die Rede sein wird, keineswegs zu verwechseln. Denn auch ein Abhängigkeitsgefühl kann erhebend sein, wenn das mitausgesagte Sogewordensein sich als ein vollkommenes ankündigt, und ebenso ein Freiheitsgefühl niederschlagend, teils wenn der Moment überwiegender Empfänglichkeit, worauf das Tun zurückgeführt wird, ein solcher war, teils wenn die Art und Weise der Selbsttätigkeit sich als ein nachteiligeres Zusammensein ausspricht. – Denken wir uns nun Abhängigkeitsgefühl und Freiheitsgefühl in dem Sinne als Eines, dass nicht nur das Subjekt, sondern auch das mitgesetzte Andere in beiden dasselbige ist: so ist dann das aus beiden zusammengesetzte Gesamtselbstbewusstsein das der Wechselwirkung des Subjektes mit dem mitgesetzten Anderen. Setzen wir nun die Gesamtheit aller Gefühlsmomente beider Art als Eines, so ist auch das mitgesetzte Andere als eine Gesamtheit oder als Eins zu setzen, und der letzte Ausdruck also der richtige für unser Selbstbewusstsein im allgemeinen, insofern es unser Zusammensein mit allem aussagt, was sowohl unsere Empfänglichkeit anspricht als auch unserer Selbsttätigkeit vorgelegt ist. Und zwar nicht nur sofern wir dieses andere vereinzeln, und jedem, wenngleich in noch so verschiedenem Grade, ein Verhältnis zu jenem zweifachen in uns zuschreiben; sondern auch sofern wir das gesamte Außeruns als Eines, ja auch weil ja andere Empfänglichkeit und Selbsttätigkeit, zu welcher wir auch Verhältnis haben, darin gesetzt ist, mit uns selbst zusammen als Eines, das heißt als Welt setzen. Demnach ist unser Selbstbewusstsein als Bewusstsein unseres Seins in der Welt oder unseres Zusammenseins mit der Welt, eine Reihe von geteiltem Freiheitsgefühl und Abhängigkeitsgefühl; schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl aber, d. h. ohne ein auf dasselbe Mitbestimmende bezügliches Freiheitsgefühl, oder schlechthinniges Freiheitsgefühl, d. h. ohne ein auf dasselbe Mitbestimmende bezügliches Abhängigkeitsgefühl, gibt es in diesem ganzen Gebiete nicht. Wir mögen unsere Verhältnisse zur Natur betrachten oder die in der menschlichen Gesellschaft, so finden wir eine große Menge von Gegenständen, in bezug auf welche Freiheit und Abhängigkeit sich sehr das Gleichgewicht halten, und diese konstituieren das Gebiet der Gleichheit in der Wechselwirkung. Andere üben eine weit größere Einwirkung auf unsere Empfänglichkeit aus als die Einwirkung unserer Selbsttätigkeit auf sie und so auch umgekehrt, so dass eines von beiden sich auf ein unmerklich Kleines beschränken kann, aber nie wird eines von beiden Gliedern gänzlich verschwinden. Vorherrschend ist das Abhängigkeitsgefühl in dem Verhältnis der Kinder gegen die Eltern, der Bürger gegen das Vaterland; aber doch kennen, auch ohne das Verhältnis zu lösen, Einzelne sowohl Gegenwirkung als auch leitende Einwirkung auf das Vaterland ausüben. Und wie die Abhängigkeit der Kinder von den Eltern sehr bald als eine sich allmählich vermindernde und verlöschende gefühlt wird; so ist sie auch von Anfang an nicht ohne Beimischung einer auf die Eltern gerichteten Selbsttätigkeit, wie auch in der absolutesten Alleinherrschaft dem Gebieter ein leises Abhängigkeitsgefühl nicht fehlt. Dasselbe ist der Fall auf der Seite der Natur, wie wir denn selbst auf alle Naturkräfte, ja auch von den Weltkörpern kann man es sagen, in demselben Sinn, in welchem sie auf uns einwirken, auch ein Kleinstes von Gegenwirkung ausüben. So dass demnach unser gesamtes Selbstbewusstsein gegenüber der Welt oder ihren einzelnen Teilen zwischen diesen Grenzen beschlossen bleibt.

Ein schlechthinniges Freiheitsgefühl kann es demnach für uns gar nicht geben: sondern, wer ein solches zu haben behauptet, der täuscht entweder sich selbst, oder er trennt, was notwendig zusammengehört. Denn sagt das Freiheitsgefühl eine aus uns herausgehende Selbsttätigkeit aus: so muss diese einen Gegenstand haben, der uns irgendwie gegeben worden ist, welches aber nicht hat geschehen können ohne eine Einwirkung desselben auf unsere Empfänglichkeit, in jedem solchen Falle ist daher ein zu dem Freiheitsgefühl gehöriges Abhängigkeitsgefühl mitgesetzt, und also jenes durch dieses begrenzt. Das Gegenteil könnte nur eintreten, wenn der Gegenstand überhaupt durch unsere Tätigkeit erst würde, welches aber immer nur beziehungsweise der Fall ist und nie schlechthin. Soll aber das Freiheitsgefühl nur eine innere selbsttätige Bewegung aussagen, so hängt nicht nur jede einzelne solche mit dem jedesmaligen Zustande unserer erregten Empfänglichkeit zusammen, sondern auch die Gesamtheit unserer inneren freien Bewegungen als Einheit betrachtet, kann nicht durch ein schlechthinniges Freiheitsgefühl repräsentiert werden, weil unser ganzes Dasein uns nicht als aus unserer Selbsttätigkeit hervorgegangen zum Bewusstsein kommt. Daher in keinem zeitlichen Sein ein schlechthinniges Freiheitsgefühl seinen Ort haben kann. Wenn nun unser Satz demohngeachtet auf der andern Seite ein schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl fordert: so kann dies aus demselben Grunde auf keine Weise von der Einwirkung eines uns irgendwie zu gebenden Gegenstandes ausgehn, denn auf einen solchen würde immer eine Gegenwirkung stattfinden, und auch eine freiwillige Entsagung auf diese würde immer ein Freiheitsgefühl mit einschließen. Daher kann es auch, streng genommen, nicht in einem einzelnen Momente als solchem sein, weil dieser seinem Gesamtinhalt nach immer durch Gegebenes bestimmt ist, also durch solches, an welchem wir ein Freiheitsgefühl haben. Allein eben das unsere gesamte Selbsttätigkeit, also auch, weil diese niemals Null ist, unser ganzes Dasein begleitende, schlechthinnige Freiheit verneinende Selbstbewusstsein ist schon an und für sich ein Bewusstsein Schlechthinniger Abhängigkeit; denn es ist das Bewusstsein, dass unsere ganze Selbsttätigkeit ebenso von anderwärts her ist, wie dasjenige ganz von uns her sein müsste, in bezug worauf wir ein schlechthinniges Freiheitsgefühl haben sollten. Ohne alles Freiheitsgefühl aber wäre ein schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl nicht möglich.

Wenn aber schlechthinnige Abhängigkeit und Beziehung mit Gott in unserm Satze gleichgestellt wird: so ist dies so zu verstehen, dass eben das in diesem Selbstbewusstsein mitgesetzte Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen Daseins durch den Ausdruck Gott bezeichnet werden soll, und dieses für uns die wahrhaft ursprüngliche Bedeutung desselben ist. Hiebei ist nur zuerst noch aus dem vorigen zu erinnern, dass dieses Woher nicht die Welt ist in dem Sinne der Gesamtheit des zeitlichen Seins, und noch weniger irgendein einzelner Teil derselben. Denn das wenngleich begrenzte Freiheitsgefühl, welches wir in bezug auf sie haben, teils als ergänzende Bestandteile derselben, teils indem wir immerfort in der Einwirkung auf einzelne Teile derselben begriffen sind, und die uns gegebene Möglichkeit einer Einwirkung auf alle ihre Teile, lassen nur ein begrenztes Abhängigkeitsgefühl zu, schließen aber das schlechthinnige aus. Nächstdem ist zu bemerken, dass unser Satz der Meinung entgegentreten will, als ob dieses Abhängigkeitsgefühl selbst durch irgendein vorheriges Wissen um Gott bedingt sei. Und dies mag wohl um so nötiger sein, da viele, welche sich eines vollkommen begriffenen ursprünglichen, d. h. von allem Gefühl unabhängigen Begriffs von Gott sicher wissen, in diesem höheren Selbstbewusstsein, welches wohl nahe genug an ein schlechthinniges Freiheitsgefühl streifen mag, eben das Gefühl, welches uns für die Grundform aller Frömmigkeit gilt, als etwas fast Untermenschliches weit von sich weisen. Unser Satz nun will ein solches ursprüngliches Wissen auf der anderen Seite keineswegs bestreiten, sondern es nur beiseite stellen als etwas, womit wir es in der christlichen Glaubenslehre niemals können zu tun haben, weil es selbst offenbar genug nichts unmittelbar mit der Frömmigkeit zu tun hat. Wenn aber das Wort überall ursprünglich mit der Vorstellung eins ist, und also der Ausdruck Gott eine Vorstellung voraussetzt: so soll nur gesagt werden, dass diese, welche nichts anderes ist als nur das Aussprechen des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls, die unmittelbarste Reflexion über dasselbe, die ursprünglichste Vorstellung sei, mit welcher wir es hier zu tun haben, ganz unabhängig von jenem ursprünglichen eigentlichen Wissen, und nur bedingt durch unser schlechthinniges Abhängigkeitsgefühl, so dass Gott uns zunächst nur das bedeutet, was in diesem Gefühl das Mitbestimmende ist, und worauf wir dieses unser Sosein zurückschieben, jeder anderweitige Inhalt dieser Vorstellung aber erst aus dem angegebenen Grundgehalt entwickelt werden muss. Eben dies ist nun vorzüglich gemeint mit der Formel, dass Sich-schlechthin-abhängig-Fühlen und Sich-seiner-selbst-als-in-Beziehung-mit-Gott-bewusst-Sein einerlei ist, weil nämlich die schlechthinnige Abhängigkeit die Grundbeziehung ist, welche alle anderen in sich schließen muss. Der letzte Ausdruck schließt zugleich das Gottesbewusstsein so in das Selbstbewusstsein ein, dass beides, ganz der obigen Auseinandersetzung gemäß, nicht voneinander getrennt werden kann. Das schlechthinnige Abhängigkeitsgefühl wird nur ein klares Selbstbewusstsein, indem zugleich diese Vorstellung wird. Insofern kann man wohl auch sagen, Gott sei uns gegeben im Gefühl auf eine ursprüngliche Weise; und wenn man von einer ursprünglichen Offenbarung Gottes an den Menschen oder in dem Menschen redet, so wird immer eben dieses damit gemeint sein, dass dem Menschen mit der allem endlichen Sein nicht minder als ihm anhaftenden schlechthinnigen Abhängigkeit auch das zum Gottesbewusstsein werdende unmittelbare Selbstbewusstsein derselben gegeben ist. In welchem Maß nun während des zeitlichen Verlaufs einer Persönlichkeit dieses wirklich vorkommt, in eben dem schreiben wir dem Einzelnen Frömmigkeit zu. Hingegen bleibt jedes irgendwie Gegebensein Gottes völlig ausgeschlossen, weil alles äußerlich Gegebene immer auch als Gegenstand einer wenn auch noch so geringen Gegenwirkung gegeben sein muss. Die Übertragung jener Vorstellung auf irgendeinen wahrnehmbaren Gegenstand, wenn man sich derselben nicht als einer rein willkürlichen Symbolisierung bewusst wird und bleibt, ist immer eine Korruption, sei es nun eine vorübergehende Übertragung, also Theophanie, oder eine konstitutive, in welcher Gott als ein wahrnehmbares beharrliches Einzelwesen vorgestellt wird.“

.-.-.-.„schlechthinnige Abhängigkeit ‚Sivas“

Um die Welt erschaffen zu können, nimmt der höchste, völlig transzendente ‚Siva einen Körper an.

 

 

 

 

Abb.: Linga und Pîtha [Bildquelle: Gopinatha Rao, T. A. <1872-1919>: Elements of Hindu iconography. — Madras :  Law Printing House, 1914 – 1916.

 

Wir können alles zusammenfassend etwa sagen: Mâyâ ist eine ewige, gestaltlose und intelligenzlose Energie, aus der durch die Çakti Çivas die ganze Materie in all ihren feinen und groben Schattierungen hervorgehen kann, oder noch kürzer: Mâyâ ist der letzte Urstoff, die letzte Urmaterie für die Welt.

b) Die Produkte der Mâyâ

Wir haben das Wort Mâyâ bis jetzt nur in seinem engeren Sinne betrachtet. Es wird aber auch noch in einem weiteren Sinne gebraucht. Im weiteren Sinne muss unter Mâyâ auch die Gesamtheit des aus ihr als causa materialis Entstandenen verstanden werden.

Diese Mâyâ im weiteren Sinne, die durch eine Tat Çivas aus der Mâyâ im engeren Sinne entsteht, wird gelegentlich unter dem Namen Mâyeya (Produkt der Mâyâ) auch als eine selbständige Größe aufgezählt, wie wir bereits im I. Teile sahen. Sie zerfällt in Çuddha-Mâyâ (reine Mâyâ) und Açuddha-Mâyâ (unreine Mâyâ).

Letztere wird wieder in Açuddha-Mâyâ und Mûlaprakriti zergliedert.

In den mehr populär gehaltenen Schriften findet sich oft auch folgende Benennung:

  • Çuddha-Mâyâ,
  • Çuddhâçuddha-Mâyâ, der obigen Açuddha-Mâyâ entsprechend, und
  • Açuddha-Mâyâ, der obigen Mûlaprakriti entsprechend.

Obgleich diese Benennung die volkstümlichere ist und den Vorzug der Übersichtlichkeit hat, ist sie hier doch nicht übernommen, weil unsere Quellenschriften sie nicht anwenden.

Von den genannten 3 Mâyâ, Çuddha-Mâyâ, Açuddha-Mâyâ, Mûlaprakriti, haben wir Cuddha-Mâyâ mit der Mâyâ im engeren Sinne, die wir im vorigen Abschnitt betrachteten, zu identifizieren, nur müssen wir sie uns als bereits vom Çakti in Bewegung gesetzt vorstellen und die direkt aus ihr evolvierenden Produkte mit hinzunehmen. Welche diese Produkte sind, lernen wir aus Siddhiâr I, 24:

„Vindu oder Çuddha-Mâyâ ist die causa materialis, die die Worte, Buchstaben, Welten, Mantra, Tattva, Körper, Genussobjekte, Organe hervorbringen, die die Vidyâ (an anderer Stelle Mahâmantrar genannt), Vidyâîçar und Sadâçivar (die höchsten unter den Seelen) nötig haben“,

und aus dem Kommentar zu Çivajñânabodha II, 2, 3. Beispiel:

„Von diesen teilt sich Mâyâ in Cuddha-Mâyâ und Açuddha-Mâyâ. Aus Cuddha-Mâyâ evolvieren die 5 Kalâ, die 4 Vâc, die 5 Çiva-Tattva, die 31 Tattva von Çuddha-Kâla bis Çuddha-Prithivî..“

Alle Produkte der Mâyâ mit Einschluss der Produkte der Açuddha-Mâyâ und der Mülaprakriti haben den gemeinsamen Namen. Adhvan, d. h. Weg, Mittel.

Man zahlt deren gewöhnlich 6:

  1. Die 5 Kalâ;
  2. die Tattva;
  3. die Welten, deren Zahl auf 224 berechnet wird;
  4. 51 Buchstaben;
  5. 81 Worte;
  6. Mantra.

Diese 6 Adhvan teilen sich in 2 Gruppen von je drei.

Die erste Gruppe bilden die sogenannten Artha Adhvan, d. h. gegenständliche Adhvan; es gehören zu ihr:

  1.  Die 5 Kalâ, Kräfte der Evolution und Involution;
  2. die 36 Tattva, der Stoff für alles der Materie angehörende Seiende,
  3. die 224 Welten, die aus den Tattva sich ergebenden Produkte.

Die zweite Gruppe umspannt die sogenannten Çabdar-Adhvan, d. h. lautliche Adhvan; es gehören zu ihr:

  1. Die 51 Buchstaben, oder richtiger Laute, die feinen Grundstoffe für Gedanken;
  2. Die 81 Worte, die aus den Lauten entstehen und den zweiten Grundstoff für Gedanken bilden;
  3. die Mantra, Sätze, durch die Gedanken erst ihre Vollendung erreichen.

Die Bezeichnung Adhvan, Weg, Mittel, soll jedenfalls anzeigen, dass sämtliche Produkte der Mâyâ Mittel zur Erlösung der Seele aus der Fesselung des Â.navamala sind.

Alle Adhvan werden näher als aus Vindu evolvierend gedacht. Die in dem ersteren Zitat genannten Körper, Genussobjekte und Organe haben wir unter Tattva zu gruppieren. Die 4 Vâc, die wir in dem zweiten Zitat finden, werden, gewöhnlich nicht als ein besonderer Adhvan gezählt, weil sie als die gemeinsame Quelle für die Buchstaben, Worte und Mantra angesehen werden.

Folgende Tafel gibt ein deutliches Bild über sämtliche Produkte der Mâyâ und über ihre Gruppierung:


Abb.: Produkte der Mâyâ und ihre Gruppierung

[Quelle: Schomerus, Hilko Wiardo <1879 – 1945>: Der Çaiva-Siddhânta : eine Mystik Indiens ; nach den tamulischen Quellen / bearbeitet und dargestellt von H. W. Schomerus. – -Leipzig : Hinrichs, 1912. —  444 S. — S. 130 – 135.]


 

die sich auf die Feinessenzen (tattva) bezieht“

Die tattva sind die fundamentalen Konstituentien der materiellen Wirklichkeit. Vgl. die Liste der tattva bei Aghora’siva:


Abb.: Liste der 36 tattvas nach Aghora’siva

[Quelle der Abb.: Gengnagel, Jörg <1960 – >: Mâyâ, Puru.sa und ´Siva : Die dualistische Tradition des ´Sivaismus nach Aghorâ´sivâcâryas Tattvaprakâ´sav.rtti. — Wiesbaden : Harrassowitz, 1996. — XII, 186 S.. — (Beiträge zur Kenntnis südasiatischer Sprachen und Literaturen ; 3). — Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994. — ISBN: 3-447-03832-2. — S. 177]


 

„Daseinsbereiche / Welten (bhuvana)“

bhuvana = Welten, Daseinsbereiche, wie Himmel, Erde, Höllen. Insgesamt gibt es 224. Sie entstehen und bestehen aus den 5 Grobelementen (bhûta), den gröbsten der tattvas (tattva 32 bis 36).

 

„reiner atman, der verhüllt ist von Krusten“

Schon immer ist die gebundene Seele (pashu) von einer Kruste (mala) umgeben. Diese Kruste ist anfangs unreif und muss durch karma und mâyâ zum Reifen gebracht werden, damit sie abfallen kann.

.-.-.-.

Vers 2.14. Kala – Zeit

Die Zeit ist als zweifach zu wissen:

  • als grob und

  • als fein

bezeichnet.

Die weltliche Zeit bezeichnet man als grob.

Fein ist die Zeit der Yogins, die ihr Bewusstsein auf den atman richten.

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Anm: Aus Sicht des kulanarva tantras stellen sich auf Grund der Philosphie und Sichtweise die tattvas anders dar. So oder So. Das Ergebnis bleibt des einem Selbst, – gleich einem Spiegelkabinett dem sämtliche Reflektionen, Ort und Zeit genommen wurde, bis auf eins. 

(ledigl. Interpretation meinereiner).